Im konkreten Leben kommt es immer wieder zu Situationen, in denen
unterschiedliche Schutz-Rechte verschiedener Personen gegeneinander
abgewogen werden müssen – zum Beispiel bei Adoptionen,
Organtransplantationen und der assistierten Reproduktion. Bei der
Adoption sollen die leiblichen Eltern des Adoptierten geschützt
werden. Der Spender eines Organs, insbesondere eines Herzens, darf
dem Empfänger nicht bekannt werden. Ein Samenspender möchte
unbenannt bleiben. Eine vom Gesetz vorgesehene (Teil-)Lösung für
derartige Konkurrenzsituationen ist die Anonymität.
In den letzten Wochen haben zwei Fälle, bei denen die Zulässigkeit
bzw. Dauer und Umfang dieser Anonymität von entscheidender Bedeutung
sein können, eine besondere mediale Aufmerksamkeit erlangt:
- Am 13. März hat das Kabinett über die Vorlage zur „Vertraulichen Geburt“ entschieden. Die Geburt erfolgt zwar anonym, aber die Daten der Mutter werden erfasst und für 16 Jahre aufbewahrt. Damit soll das Recht der Kinder auf Kenntnis der eigenen Herkunft gewährleistet. Diese Daten können Kindern die oft frustrierende Suche nach ihrer Mutter ersparen. Wenn von der Mutter nicht bestritten – notfalls entscheidet das Familiengericht -, können die Kinder so erfahren, wer ihre leibliche Mutter ist.
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Im Rahmen der assistierten Reproduktion hat das OLG Hamm im Februar
entschieden, dass Kinder, die ihr Leben einem Samenspender
verdanken, ein Recht auf Kenntnis ihres leiblichen Vaters haben.
An den genannten Beispielen wird deutlich, dass je nach Situation die
zugesagte und auch durchgehaltene Anonymität wesentlich zum
Lebensschutz beitragen kann: Ist eine Schwangere nur dann vor, bei
und nach der Geburt zu einer helfenden Beratung bereit, wenn die von
ihr geforderte Anonymität gewährleistet ist, sollte dieser Wunsch
ausnahmsweise auch auf Dauer respektiert werden können. Das Leben
des Kindes und dessen Schutz hat Vorrang. Wenn das nicht gesichert
ist, könnte das (gut gemeinte) Gesetz seine Zielgruppe verfehlen.
Bei anonymen Samenspendern (es gibt bei uns 12 Samenbanken) kann die
von der Verfassung garantierte Kenntnis der eigenen Herkunft nicht
sichergestellt werden. Wie kann in diesem Fall die Konkurrenz
zwischen dem Wunsch der – oft regelmäßigen - Spender nach
Anonymität und den Rechten der Kinder aufgelöst werden? Gibt es
(gegenseitige) Unterhaltsansprüche? Wie kann bei bestehender
Unkenntnis die Gefahr von Inzest ausgeschlossen werden? Und
grundsätzlicher: Gibt es Grenzen für den Kinderwunsch der Eltern?
15. Mai 2013
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