Als notwendige Ergänzung staatlicher Angebote sind jetzt die Kirchen besonders gefordert.
Bei der Beschreibung unserer Gesellschaft und der in ihr zu
beobachtenden übergreifenden Tendenzen wird allgemein – nicht immer ausreichend
differenziert – die sich fortsetzende Auflösung gesellschaftlicher Strukturen
festgestellt bzw. bedauert. Die Familie scheint von dieser Entwicklung
besonders nachhaltig und überwiegend negativ beeinflusst worden zu sein. Warum?
„Je mehr sich die neuzeitliche Gesellschaft entwickelte, desto weniger
Rücksicht brauchte sie auf schwerfällige, früher einmal unentbehrliche
Institutionen wie religiöse Glaubenssysteme, großfamiliäre Bindungen, regionale
und lokale Netzwerke oder starre Rollenklischees nehmen“ schreibt Udo di Fabio
in seinem neuen Buch „Schwankender Westen“ (C.H.Beck 2015, S. 28).
Das Verständnis von Familie wird von den Schwächungen der Glaubenssysteme
und der familiären Bindungen sowie den
veränderten Rollenklischees – bei Frauen aber auch Männern - gleich mehrfach
unterminiert. „Man weiß nicht mehr so recht, was Familie bedeutet“ (S. 29).
Die soziokulturellen Lebensgrundlagen (wie die Familie) zu schützen,
ist primär die Aufgabe des Staates bzw. konkreter der politischen Parteien.
Angesichts der vielfältigen und unterschiedlichen Entwicklungen, die auf das
Thema „Familie“ einwirken, ist es nicht verwunderlich, dass „die Politik“ sich
mit ihren familienpolitischen Leitbildern schwer tut. Auf ihrem Parteitag
12/2015 in Karlsruhe hat sich die CDU als „die Partei der Familien“ vorgestellt
- mit dem Schwerpunkt der Wahlfreiheit „über den gesamten Lebenslauf“.
Selbstverständlich soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
erleichtert werden. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass diese
Forderung nicht allein bzw. in erster Linie dem Wohl der Familie, sondern
angesichts der demographischen Entwicklung vielmehr den (legitimen) Interessen
der Wirtschaft geschuldet ist. Gleiches gilt für die „Familienarbeitszeit“.
Notwendig sind zudem Ergänzungen in den Sozialversicherungssystemen, um den von
den Familien erbrachten generativen Beitrag, die Erziehungsleistungen und
zunehmend die Aktivitäten in der (häuslichen) Pflege angemessen zu würdigen.
Der Staat muß bei seinen Überlegungen eine Vielzahl von
gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen im Auge behalten. Anders die Kirchen: Sie
können aus einem vertieften Verständnis von Ehe und Familie – das war das Thema
der gerade beendeten Familiensynode in Rom - andere Schwerpunkte setzen. In
Ergänzung staatlicher Bemühungen müssen sie – zum Wohl der Kinder - der
Stärkung der Familie noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Das gilt u. a. für den
Erziehungsauftrag der Eltern – einschließlich der wichtigen Bindungsförderung.