Montag, 7. April 2008

Chantal Sébires letzter Kampf

Es bleiben beunruhigende Fragen

Wer die letzten Bilder von Chantal Sébire im Fernsehen gesehen hat, der Frau mit dem von ihrer Krankheit so unvorstellbar grausig entstellten Gesicht, wird sie so schnell nicht wieder vergessen – vielleicht nie.

Für ihren in die Öffentlichkeit getragenen Kampf um die Hilfe zur Selbsttötung hat man in einigen Medien Frau Sébire ungebrochenen Willen und „großen Mut“ bescheinigt. Das mag so sein. Aber man wird doch fragen dürfen, warum Chantal Sébire ihren Kampf überhaupt in die Öffentlichkeit getragen hat. Warum hat sie geglaubt, die Öffentlichkeit sozusagen „in Geiselhaft“ für ihr - aus ihrer Sicht so verständliches - Anliegen nehmen zu dürfen? Wer hat sie aus welchen Gründen zu diesem Schritt angeregt? Macht es einen Unterschied, daß sie zwar unheilbar krank, aber offensichtlich nicht hilflos war?

Im Hintergrund des Wunsches von Frau Sébire könnte neben der Verzweiflung über das eigene Leiden eine Veränderung im Bewußtsein über die Rechte und Pflichten im Falle einer (schweren) Erkrankung liegen. Einem kranken Menschen steht nach unserer Rechtsordnung grundsätzlich das Recht zu, auch auf lebenserhaltende Maßnahmen zu verzichten – sogar mit dem Risiko des früheren Sterbens. Diesem Recht des Kranken steht aber keine Pflicht Dritter zur Beihilfe gegenüber, aus ihm ergibt sich kein Anspruch (des Kranken) gegen die Gesellschaft, den Staat, ihm bei der Beendigung des Lebens zu helfen.

Eine vergleichbare Verschiebung ist offenbar in Holland geschehen. Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe war ursprünglich (verkürzt dargestellt) gedacht, um die beteiligten Ärzte vor den strafrechtlichen Folgen zu schützen. Im Laufe der Jahre ist daraus – im Bewußtsein der interessierten Öffentlichkeit - ein Anspruch der Kranken (bzw. sogar ihrer Angehörigen) auf die staatliche/ärztliche Hilfe zum Sterben geworden.

Auch wer von dem Schicksal von Chantal Sébire zutiefst angerührt ist, sollte die angedeuteten Zusammenhänge nicht aus dem Auge verlieren – im Interesse des Rechts auf ein menschenwürdiges Leben vor dem Sterben, im Sterbeprozeß.

Dass nach dem stärkeren Einsatz der Palliativmedizin und der Hospizbetreuung bei unserem Nachbarn Holland die Zahl der gemeldeten aktiven Sterbehilfen deutlich rückläufig ist, ist ein willkommenes Zeichen – auch für die Entwicklung bei uns.




Das Bild zeigt Joseph Carey Merrick im Jahre 1889 (Institute Library), der unter einer ähnlichen Krankheit wie Chantal leidet. Der gleichnamige Kinofilm aus dem Jahre 1980 erzählt in eindrucksvollen schwarz-weiß Bildern von der Entdeckung des als in einem Zirkus vorgeführten Monsters und seiner anschließenden Menschwerdung. Der Arzt, Dr. Treves, der Merrick anfangs aus wissenschaftlichen Gründen aufgenommen hat und durch seinem "Elefantenmenschen" berühmt wird, lernt im Laufe der Zeit die Persönlichkeit seines Patienten schätzen. Bevor John Merrick an den sukzessive zunehmenden Verwachsungen stirbt, durfte er ein Leben in Würde und ohne Angst kennen lernen.

Mittwoch, 2. April 2008

Ars Moriendi - und wo bleiben die Tröstungen der Kirche?

Wir leben in einer Zeit „zerbröselnder“ Familienstrukturen. Notwendige Ersatzlösungen (z.B. neue Netzwerke) sind noch nicht nachgewachsen. Auch wenn die Mehrzahl der Schwerstkranken sich den eigenen Tod in einer häuslichen/familiären Umgebung wünscht, sterben rund 70% der Menschen im Krankenhaus.

Es führt nicht weiter, nur ein „allgemeines Unwohlsein“ an der schwindenden Präsenz von Kirche und Religion zu formulieren. In vielen Fällen wird die Kirche mit ihren Angeboten nicht einmal mehr als „Event-Service“ wahrgenommen.

Das steigende Angebot der palliativmedizinischen Betreuung verbunden mit der umfassenden Sterbebegleitung im Hospiz – beide ambulant und/oder stationär – ist begrüßenswert. Deren Präsenz zu erweitern, verdient unsere volle Unterstützung.

Daß praktisch alle Angebote in diesem Bereich von kirchlichen Trägern kommen, ist willkommen und erfreulich. Auch für Nichtglaubende wird damit die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit unserer ablehnenden Haltung gegenüber „Angeboten“ wie aktive Sterbehilfe bzw. assistierter Selbsttötung verbessert.

Unser Glaube darf immer nur „angeboten“ werden – auch in der letzten Phase unseres Lebens.

Wir sollten nicht die Möglichkeit unterschätzen, im nichtverbalen Bereich die entsprechenden positiven (christlichen) Botschaften zu vermitteln. Die durchgehend anzutreffende freundlich-gelassene Stimmung in den Hospizen verfehlt ihre Wirkung nicht – sie gibt Zeugnis von unserer Hoffnung über den Tod hinaus.

Das gilt für die auch angebotene „liebevolle“ neue Begräbniskultur. Und: „Die Stelen des Kolumbariums (in der Allerheiligenkirche Erfurt) erzählen vom Licht Gottes, in das alle Verstorbenen gestellt werden“.