Dienstag, 30. September 2014

INZESTVERBOT

§ 173 Abs. 2 StGB stellt den „Beischlaf zwischen leiblichen Verwandten“ unter Strafe: Zu Recht

Fragen:

Grundsätzlich: Kann mit einer Strafandrohung das angestrebte Schutzziel erreicht werden?
Speziell: Die Familie soll als Rechtsgut geschützt werden. Gibt es evtl. schützenswertere Rechtsgüter, die eine Aufhebung dieser Strafandrohung rechtfertigen? Haben sich die Grundlagen für die Strafandrohung entscheidend verändert?

Das Inzestverbot gehört zu den ältesten Normen menschlichen Zusammenlebens. Deshalb ist schon überraschend, dass im September 2014 der Deutsche Ethikrat – mit knapper Mehrheit – angeregt hat, die Strafbarkeit des Beischlafs zwischen erwachsenen Geschwistern aufzuheben. Eindeutig negative Reaktionen insbesondere aus der Unions-Fraktion deuten aber an, dass dieser Vorschlag zur Zeit wohl keine parlamentarische Mehrheit finden wird.

Die verfassungsrechtliche Situation scheint eindeutig geklärt: Das BVerfG hat im Jahr 2008 – bei 7:1 Richterstimmen - verfassungsrechtliche Bedenken (Grundgesetzverstoß?) als nicht begründet abgelehnt. Die in einem Minderheitsvotum aufgeworfene (und dort verneinte) Frage, ob das Strafrecht überhaupt geeignet ist, den gewünschten Schutzzweck zu erreichen, hat das Gericht eindeutig positiv mitentschieden. Von 2007 bis 2012 gab es pro Jahr acht bis zwölf Verurteilungen. - Auch der EGMR hat im Jahr 2012 die Verfassungsmäßigkeit des $ 173 StGB bestätigt.

Wie erklärt sich das erstarkte Interesse an dieser Fragestellung?

Das mit der Strafnorm angestrebte Schutzziel könnte die eigentliche „Zielscheibe“ sein: In unserer Gesellschaft gibt es seit längerem erkennbare Tendenzen, die Schutzwürdigkeit der Familie – in ihrer traditionellen Form – zu hinterfragen. Damit werden Fundamente unserer staatlichen Ordnung unterminiert.

Dem Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung – gepaart mit der individuellen Freiheit - soll ein höherer Rang eingeräumt werden. Aber auch das Einvernehmen kann die Aufhebung der Strafbarkeit nicht begründen. Unsere Rechtsordnung missbilligt Handlungen/Verträge, die gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB).

In der Lebenswirklichkeit schafft die vermehrte Zeugung von Kindern mittels Samenspenden neue Risiken/Unsicherheiten. In Kanada soll mit Hilfe von Datenbanken die Suche nach Angehörigen erleichtert werden. Nachdem bei uns gerichtlich (2013) der Auskunftsanspruch auf den Namen des leiblichen Vaters anerkannt worden ist, könnte auch bei uns dieser Weg eröffnet werden. Bei der Diskussion um die Zulässigkeit der Babyklappe wird immer wieder darauf hingewiesen, wie sehr manche Kinder an ihrer „Abstammungslosigkeit“ leiden; sie suchen daher aktiv nach unbekannten Elternteilen.

Das eugenische Argument der angestrebten Verhinderung möglicher Behinderungen allein reicht zwar für die Strafnorm nicht aus: Auch behinderte Kinder haben ein Lebensrecht. Gerade in Zeiten, in denen die von unserem Grundgesetz besonders geschützte Familie unter vermehrten Anpassungs- und Rechtfertigungsdruck geraten ist, sollte man das seit Alters her strafbewährte Tabu des Inzestverbots dennoch nicht in Frage stellen. Um Einzelfälle möglichst gerecht zu behandeln, sind die notwendigen Regelungen im Verfahren zu § 173 StGB in unserer Strafprozessordnung vorgesehen.

UND: Wie nachhaltig (und schnell) das Unrechtsbewusstsein verloren gehen kann, wenn eine bestehende Strafnorm aufgehoben wird, kann man bei unserer Abtreibungsregelung („Rechtswidrig, aber straflos“) feststellen.

 

Dienstag, 23. September 2014

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT: Texte und Video-Interviewreihen

Das Leben ist ein kostbares Geschenk. Aber fühlen wir uns noch als Beschenkte mit den daraus auch entspringenden Konsequenzen? Und noch wichtiger: Akzeptieren wir uns als Geschöpfe? Oder sehen wir uns angesichts der unübersehbar erweiterten forschungsbedingten Möglichkeiten  eher schon als Schöpfer? Die Mitglieder bzw. Unterstützer des 2000 gegründeten HMK versuchen, schlüssige und für viele akzeptable Antworten auf diese die Zukunft mitentscheidenden Fragen zu geben – und dies im Rahmen der HMK-Öffentlichkeitsarbeit. Sie umfasst mehrere Schwerpunkte:

(1) In unseren Texten haben wir von Anfang an die verschiedensten Aspekte zu dem THEMA LEBEN – vor allem dessen Schutz vom Anfang bis zum Ende betreffend – ausführlich analysiert und dargestellt, u.a. in den Schwerpunktthemen, Stichworten, Glossarium sowie "Zeichen der Zeit".
  • Um hilfesuchenden „Schwangeren in Not“ den leichten Zugang zu verschiedenen Hilfsangeboten (Caritas, SkF) zu ermöglichen, haben wir z.B. die "Vertrauliche Geburt" im Rahmen der Aktion Moses auch in Videos ins Netz gestellt.
  • Einen schnellen Überblick über interessant erscheinende Entwicklungen bzw. Themen ermöglicht der blog auf der Startseite: Die 93 Einträge sind 10.408mal angeklickt worden.

(2) In Ergänzung zu den weiterhin angebotenen (aktualisierten und ergänzten) Texten haben wir in den Jahren 2003 bis 2007 mit verschiedenen Partnern und einem katholischen Bischof als Schirmherrn drei öffentliche Vortragsreihen geplant und durchgeführt. Diese haben wir zuletzt durch kurze Videointerviews mit den Referenten begleitet.

(3) Die neuen Medien machen es möglich: Um an Fragen des umfassenden Lebensschutzes Interessierten jederzeit und auf Dauer Zugriff auf die von uns erarbeiteten Themenbereiche zu geben, haben wir uns nach den Vorträgen auf die konzeptionelle Durchführung eigener Videointerviewreihen konzentriert. Mit messbarem Erfolg: In den nächsten Wochen wird die Zahl der Klicks auf unsere Videos (dann 50, auch auf YouTube unter JWBHMK) die Marke von 170.000 überschreiten.

Leben vor dem Lebensende“: Wegen des deutlich gestiegenen Interesses an dieser Thematik haben wir im August 2007 mit dieser Reihe begonnen. Ein audiophon über „Gespräche mit Sterbenden“ in dem Hospiz Advena in Erbenheim (12/07) führt die Liste aller Klicks mit schon über 40.000 „Besuchen“ an.

Im Moment heftig in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion stehende Einzelthemen wie die  Strafbarkeit der Beihilfe zur Selbsttötung finden reges Interesse; über moraltheologische Aspekte haben wir mit Pater Prof. Dr. Schuster SJ (07/12; 1.048 Klicks) und über medizinethische Fragen mit Frau Dr. Bockenheimer (07/13; 345 Klicks) gesprochen.

Unsere Interviews mit den Professoren Bechstein und Schuster SJ (10/12) über grundsätzliche und aktuelle Fragen zu Organtransplantationen wurden mit 489 Klicks bedacht.

Die Frage, ob Deutschland kinderunfreundlich? ist, wird angesichts der demographischen Entwicklung mit den weiter niedrigen Geburtenzahlen immer wieder gestellt. Bislang haben wir nur drei Videointerviews machen können; die Zahl der zum Gespräch bereiten Partner ist wegen der von ihnen als besonders „heikel“ eingestuften Thematik deutlich eingeschränkt. Im Rahmen der aktuellen Suche nach der „richtigen“, der zukunftssichernden Familienpolitik werden wir dennoch weiterhin diesen Fragen nachgehen. Das Konzept des Caritas-Lebenshauses „St. Leonhard“* (08/14) hat uns eindrucksvoll eine Möglichkeit aufgezeigt, wie gemeinschaftsstiftender und generationsübergreifender Lebens- und Wohnraum für Jung und Alt geschaffen werden kann.

22. September 2014

* das Video über den Besuch bei der Caritas wird in wenigen Tagen zu sehen sein

Samstag, 13. September 2014

LEBENSSCHUTZ UND MEDIZIN: Eine schwindende Vertrauensbasis?

Der alarmierende Befund: Aus der aktuellen Diskussion um Manipulationen bei Organspenden aber auch bei Fragen zum ärztlich assistierten Suizid muss man leider den Schluss ziehen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zunehmend gefährdet scheint. Ansätze eines latenten Misstrauens (persönlich bzw. strukturell) lassen sich schon früher in der Debatte um die Patientenverfügung erahnen.

 Aus Nachbarländern, in denen die aktive Sterbehilfe nicht verboten ist, kann man hören, dass diese „Dienstleistungen“ auch an nicht um ihre Einwilligung befragten Patienten vorgenommen werden. Daher wurde in Holland mit der CREDO CARD der besorgte Aufruf formuliert: „Maak mij niet dood, Doktor“. Leider geben vereinzelte Berichte aus deutschen Krankenhäusern Anlass zu der Sorge, dass Fälle gefährlicher Verwahrlosung – bis in den Grenzbereich der Lebensgefährdung – nicht mehr ausgeschlossen werden können.

Wenn man über die Phasen des Lebensschutzes nachdenkt – vom Beginn bis zum Tod -, wird ein zunehmend engerer Zusammenhang zwischen Leben und Medizin deutlich:

Zu Beginn in der Stammzellenforschung, der Kryokonservierung, dem Embryonenschutz, der künstlichen Befruchtung (IVF) sowie der Präimplantationsdiagnostik (PID) und der Pränataldiagnostik (PND); zu diesem frühen Stadium zählt auch die Leihmutterschaft als bei uns nicht erlaubte Ausnahme.

Zum Ende des Lebens haben Forschungserfolge zu einer deutlich längeren Lebenserwartung mit den dadurch gewonnenen erweiterten (Zeit-)Optionen geführt. Allerdings steigt auch die Zahl „altersbedingter“ Krankheiten (wie Demenz) sowie die latente Angst vor der als anonym-bedrohend empfundenen „Apparatemedizin“. Patientenverfügungen sollen das Gefühl der „verlorenen Autonomie“ überbrücken helfen. Im Zentrum der (medialen) Diskussion stehen im Moment Fragen um die Möglichkeiten und die potentiellen Gefahren der Sterbehilfe, des assistierten Suizids und der Organspenden.

Die wieder aufgekommenen Zweifel (neu Herzklinikum Berlin), ob bei Organtransplantationen trotz aller Bemühungen um mehr Kontrolle und Transparenz nicht doch manipuliert wird, führen zu Vertrauensverlusten und als Folge zu nachlassender Spendebereitschaft.

Umstritten bleibt bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen die Frage des Einsatzes von Psychopharmaka. Sind sie ein legitimes Mittel zur Schmerzlinderung, zur Erhaltung der Selbstbestimmung oder aber bei zu starker Sedierung eine neue Form der Gewaltanwendung?

Kann die Medizin in Verkennung ihres Auftrags bzw. dessen Grenzen sogar zu einer Bedrohung für den Patienten werden? Was ist, wenn die Medizin nicht „loslassen“ kann? Wie steht es mit dem Recht des Kranken, auf lebenserhaltende Maßnahmen zu verzichten – auch mit dem Risiko den eigenen Tod schneller herbeizuführen?

Die gelungene Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist entscheidend - basierend auf einem intakten Vertrauensverhältnis. Das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen, wird Zeit brauchen. 

September 2014