Mittwoch, 15. Mai 2013

LEBENSSCHUTZ UND ANONYMITÄT - (wie) passt das zusammen?



 
Im konkreten Leben kommt es immer wieder zu Situationen, in denen unterschiedliche Schutz-Rechte verschiedener Personen gegeneinander abgewogen werden müssen – zum Beispiel bei Adoptionen, Organtransplantationen und der assistierten Reproduktion. Bei der Adoption sollen die leiblichen Eltern des Adoptierten geschützt werden. Der Spender eines Organs, insbesondere eines Herzens, darf dem Empfänger nicht bekannt werden. Ein Samenspender möchte unbenannt bleiben. Eine vom Gesetz vorgesehene (Teil-)Lösung für derartige Konkurrenzsituationen ist die Anonymität.

In den letzten Wochen haben zwei Fälle, bei denen die Zulässigkeit bzw. Dauer und Umfang dieser Anonymität von entscheidender Bedeutung sein können, eine besondere mediale Aufmerksamkeit erlangt:

- Am 13. März hat das Kabinett über die Vorlage zur „Vertraulichen Geburt“ entschieden. Die Geburt erfolgt zwar anonym, aber die Daten der Mutter werden erfasst und für 16 Jahre aufbewahrt. Damit soll das Recht der Kinder auf Kenntnis der eigenen Herkunft gewährleistet. Diese Daten können Kindern die oft frustrierende Suche nach ihrer Mutter ersparen. Wenn von der Mutter nicht bestritten – notfalls entscheidet das Familiengericht -, können die Kinder so erfahren, wer ihre leibliche Mutter ist.

- Im Rahmen der assistierten Reproduktion hat das OLG Hamm im Februar entschieden, dass Kinder, die ihr Leben einem Samenspender verdanken, ein Recht auf Kenntnis ihres leiblichen Vaters haben.

An den genannten Beispielen wird deutlich, dass je nach Situation die zugesagte und auch durchgehaltene Anonymität wesentlich zum Lebensschutz beitragen kann: Ist eine Schwangere nur dann vor, bei und nach der Geburt zu einer helfenden Beratung bereit, wenn die von ihr geforderte Anonymität gewährleistet ist, sollte dieser Wunsch ausnahmsweise auch auf Dauer respektiert werden können. Das Leben des Kindes und dessen Schutz hat Vorrang. Wenn das nicht gesichert ist, könnte das (gut gemeinte) Gesetz seine Zielgruppe verfehlen.

Bei anonymen Samenspendern (es gibt bei uns 12 Samenbanken) kann die von der Verfassung garantierte Kenntnis der eigenen Herkunft nicht sichergestellt werden. Wie kann in diesem Fall die Konkurrenz zwischen dem Wunsch der – oft regelmäßigen - Spender nach Anonymität und den Rechten der Kinder aufgelöst werden? Gibt es (gegenseitige) Unterhaltsansprüche? Wie kann bei bestehender Unkenntnis die Gefahr von Inzest ausgeschlossen werden? Und grundsätzlicher: Gibt es Grenzen für den Kinderwunsch der Eltern?

15. Mai 2013